Bild und Text von Jan Grashoff
Operation Darkstar
Das Frühjahr 2019 brachte mir vor allem zwei Dinge:
Wenig Zeit zum Fischen und eine schlechte zeitliche Prognose für zumindest das erste und zweite Quartal.
Ab Januar würde ich für 2, und ab Mitte Mai noch einmal für 3 Monate auf einen Lehrgang verschwinden und nur noch am Wochenende zu Hause sein können – das ich an diesen Wochenenden nicht fischen gehen würde, war von vorn herein klar.
(5 Monate des Jahres würde ich auf Lehrgängen verbringen)
Auch in den wenigen Wochen dazwischen würde ich längst nicht jedes Wochenende fischen können, da auch Janine inzwischen wieder arbeitet.
So reifte schon in den letzten Monaten des vergangenen Jahres der Gedanke, noch vor Mai wenigstens ein paar Fische fangen zu können, und, wenn es irgend geht, wenigstens eine adequate Chance auf einen 15kg+ Fisch aufrecht zu erhalten.
Das alles schränkte die Gewässerauswahl doch schon recht stark ein:
Die Anfahrtswege durften nicht zu lang sein, das Gewässer selber nicht zu sehr überlaufen und die Fische „berechenbar“ – ich wollte die wenige Zeit die ich zum Fischen hatte nicht damit verbringen, auf Flussnomaden zu hoffen, die da kommen oder eben auch nicht.
Meine Wahl fiel auf einen alten Weser-Arm der schon seit Jahrzehnten vom eigentlichen Flusslauf getrennt war.
(schnell zu erreichen und berechenbare Fische. Von wegen)
Hier konnte ich bis auf wenige hundert Meter an das Wasser ran fahren, brauchte kein Boot und auch das restliche Setup würde eher gering ausfallen müssen.
Leider kam ich bedingt durch meinen Dienstplan auch nur recht unregelmäßig zum füttern, fütterte im Dunkel dann vermutlich auch eher unpräzise, was bei kaltem Wetter und entsprechen geringen Mengen bekanntlich Gift ist.
(Wenig Futter sollte es sein – Präzise ausgebracht. Von wegen)
Als sich kurzfristig eine Möglichkeit bot, eine Nacht am Wasser zu verbringen, packte ich meine Sachen „hopllahop“ ins Auto und fuhr halsüberkopf und mit sehr gemischten Gefühlen an den See.
Dort angekommen war das Chaos innerhalb kürzester Zeit komplett perfekt:
Keine Ersatzbatterien für einen Bissanzeiger, die Zelthäringe zu Hause vergessen und den Deeper ins Schilf gehängt. Bravo.
Nachdem ich die Situation halbwegs improvisiert geregelt hatte, brach auch schon die Nacht an, die erwartungsgemäß nichts brachte…
(Nachtfrost war in der Anfangszeit des Kampagne oft mein Begleiter. Kalte, klare Tage und lange Dunkelphasen gehören im Frühjahr irgendwie dazu.)
Niedergeschlagen fuhr ich nach Hause.
Der Start war scheiße, die Überlegungen unausgegoren und die zeitlichen Abläufe Kernschrott.
Ich überdachte alles neu – und warf alles über den Haufen .
Das Boot das ich nicht brauchte bzw an dem Gewässer auch nicht einsetzen durfte rückte in den Fokus – und damit ein anderes Wasser, das aber leider häufiger frequentiert ist.
Das unpräzise Anfüttern währe mit dem Boot dahin – dank Marker und/oder GPS könnte ich auch in finsterster Nacht und bei Nebel meinen Platz finden.
Der Aufwand wäre es wert.
Auch die zeitlichen Abläufe würde ich ändern:
Am Wochenende würde ich immer Zeit finden, das Boot ans Wasser zu schleppen, raus zu fahren und zu füttern. Unter der Woche nur, wenn es unbedingt „sein musst“.
Und so überlegte ich mir eine Futtertaktik „von Wochenende zu Wochenende“:
Ich würde Freitags, Samstags und Sonntags 4kg Boilies und 15-20Liter gequollenen und gekochten Mais mit ein paar Hand voll Tigernüssen aufgeteilt auf 3 Plätze füttern und unter der Woche, je nach Temperaturverlauf, jeden Tag 10 Almighty-Boilies pro Platz, oder, wenn die Zeit es nicht zulassen würde, jeden zweiten Tag 20 Boilies pro Platz.
Starten wollte ich das ganze sofort, bei einer Oberflächentemperatur von grade mal 8 Grad. Ab 14 Grad wollte ich, bis zum Beginn der Laichzeit bzw meiner Abreise zum Lehrgang, die Futtermenge unter der Woche erhöhen um die Plätze aktiv zu halten.
Ganz ehrlich: als ich am ersten Freitag , dem Beginn meiner Futterkampagne am Wasser an kam, konnte es sich nicht falscher anfühlen, so viel Futter bei so kalten Temperaturen ins Wasser zu werfen.
( https://www.rg-fishfeed.de/boilies/almighty )
Aber ich wusste auch um den Brassen- und Schleienbestand.
Beim Fischen selber wollte ich gänzlich auf Partikel verzichten um den Schleimern möglichst aus dem Weg zu gehen.
Die Wochen zogen ins Land, mein Boot legte im Auto mehr Kilometer zurück als manch ein Kleinwagen auf dem Weg zum Einkaufen. Jeden Freitag, Samstag und Sonntag zerrte ein gedeckt gekleideter Kerl ein Boot durchs Dunkel an den See um dann fast lautlos in der einbrechenden Nacht zu verschwinden.
Und auch unter der Woche verteilte ich meine paar Boilies mit dem Wurfrohr kaum vorm Dunkel werden, meistens eher im Schutze der Nacht.
Doch die Nacht ist mein Freund und das Dunkel umgibt mich wie eine wärmende, schützende Decke.
Wer mich nicht sieht, fischt nicht auf meinem Futter…
Und dann war es plötzlich da:
Mein Zeitfenster zum Fischen. Ein ganzes Wochenende. Ich war aufgeregt wie ne Tüte Mücken, platzierte Futter und Ruten so exakt wie nur möglich und wartete.
Und wartete – und wartete. Ernüchterung machte sich schon breit, als endlich, Sonntagvormittag, eine Rute ab lief.
Heftige Gegenwehr, starker, dauerhafter Druck trotz der relativ großen Entfernung ließen einen guten Fisch vermuten – kürzen wir es ab: Grade dass ich im Boot saß, war der Zauber vorbei – kompletter Abriss. Wie ungehalten ich reagierte, welch wüsten Kraftausdrücke über den See schalten und wie ich mich fühlte brauch ich wohl nicht eingehend beschreiben.
So viele Stunden im Dunkeln am oder auf dem See. Regen, teilweise Schneefall, eiskalter Wind, Sprit, Kilometer, Futter….
(Allein am See – kein Problem für mich!)
Ich war fertig mit den Nerven, als ich endlich aus dem Boot aufstand um die Rute zu verstauen und damit das immer hinter dem Sonntag-morgen-Kaffee lauernde „Einpacken“ zu beginnen.
Doch grade als ich mich erhoben hatte, bog sich die mittlere Rute nach unten und der Bissanzeiger begann sein Leid zu klagen.
Die Rute abheben, ins Boot springen und ablegen war eine einzige Bewegung – auf keinen Fall wollte ich diesen Fisch verlieren.
Selten hab mich über das Abschöpfen eines knappen 16 Pfünders so abgefeiert.
Die Futteraktion würde ich also fortsetzen, aber ich behielt nur die beiden Spots unter Futter, die die beiden Bisse gebracht hatten.
Das ermöglichte mir, den Angelplatz zu wechseln, wodurch ich einen deutlich besseren Winkel zu den Hindernissen hatte.
Ein dritter Spot der vom neuem Platz aus erreichbar war, würde sich schon finden.
Nur der Komplettabriss beschäftigte mich doch sehr.
Ich würde das Gerät anpassen müssen:
Auftreibende geflochtene Schnur, lange widerstandsfähige Schlagschnüre und große Subloats, mein typisches „wenn´s im Süden drauf an kommt“ Setup wurde aus dem Winterschlaf geholt.
(Kraut und Subfloatmontagen erfordern auch auf kurze Distanz hohe Ruten.)
Inzwischen war es Anfang April geworden und es zeichnete sich ein weiteres Wochenende ab, an dem ich fischen gehen konnte – mehr sogar, nur eine Woche später würde ich noch einmal für 1 oder 2 Nächte ans Wasser gehen können.
In all der Zeit fütterte ich fleißig weiter, konnte oftmals Fische beobachten, ob nun auf meinem Futter oder auf den Strecken die ich mit dem Boot zu den Plätzen zurück legte.
(Live dabei beim Frühjahrserwachen.)
Und zu meiner großen Freude sah ich nur 2 mal einen Angler.
Auch die Zeitsituation entspannte sich ein wenig denn mit zunehmend besserem Wetter und längerem Tageslicht war es überhaupt kein Problem mehr meinen Sohn einfach zum Füttern mit ans Wasser zu nehmen.
Am betreffendem Freitag an dem ich angeln gehen wollte war alles von langer Hand, in vielen einzelnen Stunden auf viele Tage verteilt, vorbereitet und so kam ich gut gelaunt gegen 18 Uhr am See an.
Die Idee war simpel:
Das Auto stand nur etwa 150m hinter mir, sodass ich zunächst nur die Ruten, Boot, Matte und den nötigen Kleinkram auf meinen Platz schleppte. Nur nasse Haken fangen Fische!
Helle, mit Attraktoren ummantelte Boilies als Bodenköder oder Schneemann sollten es richten.
( https://www.rg-fishfeed.de/the-white-series/white-mighty )
Den Rest würde ich ran holen und aufbauen, wenn die Ruten lagen.
12 Grad Wasser – ich war guter Dinge, das der ein oder andere Fisch meine Matte von innen sehen würde. Dennoch war ich extrem Überrascht als schon gegen 19:45Uhr die Funktröte „Kontakt links“ meldete.
Da war es wieder: Heftige Gegenwehr, konstanter Druck, keine Kopfschläge – nur Vollgas.
Als ich mit dem Boot über dem Fisch war, war der bereits gute 70m vom Futterplatz entfernt und hatte 50m quer durch ein Krautfeld zurückgelegt – gut wenn man dann das richtige Material am Start hat.
Irgendwann hatte ich Sie (nicht ihn…) aus dem Kraut befreit, nur aufgeben wollte sie nicht.
Konsequent zog sie nun ins Freiwasser und versuchte ihr Glück in der Tiefe. Immer und immer wieder kam sie hoch, immer und immer wieder schwamm sie nach unten und zog selbst den Subfloat außerhalb des Sichtbereiches.
Ich war recht fest davon überzeugt, einen Wels gehakt zu haben -doch dann kam sie in Sichttiefe und war im nächsten Moment auch schon im Kescher.
„Alter“ – zu mehr war mein Hirn nicht in der Lage.
Ich hatte schon deutlich größere Fische gefangen – aber nicht hier.
Und gerechnet hatte ich damit 10mal nicht. Ich war mir zwar immer sicher, einst beim Tauchen einen großen Schuppi gesehen zu haben aber so recht glauben wollte das keiner. Als dann ein 16kg – Schuppi von einem Aalangler erlegt wurde, war für mich und die Leute denen ich von dieser Beobachtung erzählt hatte, die Sache klar: Ich hatte mich geirrt und in der Folge diese Beobachtung auch vergessen.
Wie falsch ich lag.
Wie ein dunkler Stern im Dunkel des Alls – ungesehen, von den meisten nicht wahrgenommen, immer versteck – und doch da.
In der einsetzenden Dämmerung machte ich schnell ein paar Selbstauslöser – Aufnahmen und entließ sie in ihr kaltes Reich.
Gern hätte ich vernünftige, handgeführte Bilder von diesem Fisch gehabt, aber von jetzt bis zum nächsten Morgen in der Schlinge zu vegetieren, das war auch keine Option.
Kaum 2 Stunden nach meiner Ankunft am Wasser war im Grunde „alles klar“ gewesen.
Doch meine Futteraktion zeigte ihre Wirkung und so brachte ich es bis Sonntagmorgen auf 6 weitere Runs, wobei ein Fisch kurz vorm Kescher verloren ging.
Mein ausgegebenes Frühjahrsziel „Einer über 15 vor dem 13 Mai“ war erreicht. Mehr als erreicht, hatte doch der kleinste Fisch dieses Wochenendes ziemlich genau 15kg. Abgesehen von einer Monsterkaulquappe von 13kg 😉
Ich beschloss meine Futteraktion zurück zu fahren auf ein paar Kugeln täglich oder eben mehr Kugeln alle paar Tage.
Mehr als 1 Angler hatte mich inzwischen beim Drillen gesehen und in den folgenden Tagen konnte ich an den Ufernahen Spots Dosenmais und einzelne Boilies im Uferwasser finden…
Meine folgende Session musste ich um eine Woche verschieben da ich ein Vereinsangeln an betreffendem See im Kalender übersehen hatte.
Bratwurst und Bier vom Vorstand und ein weiteres „mach du mal“ als Bestätigung meiner Erlaubnis das Boot auf dem See einsetzen zu dürfen sind da aber mehr als ein Trost.
Das folgende Wochenende würde also mein Frühjahr beenden und vermutlich für einige Zeit zusammenhängende Angeln ohne Unterbrechung sein.
Entsprechend motiviert ging ich an die Sache ran.
Und auch an diesem Wochenende sollte mein Futter, das jetzt nur noch aus einer Mischung aus 20mm Almighty und White Mighty Boilies bestand, seine Wirkung nicht verfehlen.
( https://www.rg-fishfeed.de/the-white-series/white-mighty )
( https://www.rg-fishfeed.de/boilies/almighty )
Zunächst fing ich einen Schuppi von rund 13kg auf einen Schneemann, bevor ich einen Graskarpfen, der sich zu meiner Verwunderung den einzelnen Bodenköder rein geschaufelt hatte, verlor.
Der nächste Biss kündigte wieder eher einen Graser als einen Karpfen an und so konnte ich nach ein paar „Extrarunden“ auf dem Boot einen stattlichen Graser abschöpfen.
Der letzte Tag brachte morgens in aller Frühe noch einen Lauf von einem kleinem Schuppi der aber, bedingt durch extreme Krautbüschel die sich am Subfloat und am Bleiclip festgesetzt hatten, vorm Kescher verloren ging.
Nach einer kurzen Kontrolle des Hakens und der Montage eines neuen Bleis (hab ich immer im Boot!) legte ich die Rute ohne weiteres Futter einfach noch mal auf dem Platz ab – die Einpackzeit wollte ich noch nutzen. Und offenbar lag ich damit richtig: Grade das ich soweit war, das Boot aus dem Wasser zu holen, lief eben diese Rute noch einmal ab und brachte einen halbstarken Schuppi in den Kescher.
Mehr als zufrieden kurbelte ich die anderen Ruten ein, schleppte die Reste zum Auto und ließ, nach mehr als 3 Monaten, zum ersten mal wieder die Luft aus dem Boot.
Meine Aktion hier war vorbei, mein Frühjahr mehr als gelungen.
Und ich hatte einen dunklen Stern gefunden.
Lasst euch nicht entmutigen. Wenn es scheiße läuft, überdenkt die Situation. Setzt neu an. Oder beißt euch durch.
Angeln ist so viel mehr als Fische fangen!
Jan Grashoff
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